Erstellt von Karin Kleinert | |   Kreisverband

„Nicht über jedes Stöckchen springen“

Neujahrsempfang in Freilassinger Lokwelt mit Landtagsvizepräsident Ludwig Hartmann 

 

Da haben sich die Kreisgrünen zu Recht gefreut: MdL Ludwig Hartmann, Ehrengast bei ihrem Neujahrsempfang in der Lokwelt, hat die Einladung in das Berchtesgadener Land der in die Münchener Staatskanzlei  vorgezogen. „Ich hatte für heute zwei Termine zur Wahl: den Neujahrsempfang von Markus Söder oder euch“, ließ er die Gäste augenzwinkernd wissen. Im Verlaufe des Abends überzeugte der Landtagsvizepräsident nicht nur mit einer motivierenden Rede, sondern auch durch seine lockere und sympathische Art. Obendrein nahm er sich viel Zeit für Gespräche und persönlichen Austausch.

 

Etwa 40 Gäste waren der Einladung des Kreisverbands in die Galerie der Lokwelt gefolgt. Kreissprecher Wolfgang Ehrenlechner konnte bei der zweiten Auflage dieses Veranstaltungsformats neben Ludwig Hartmann auch einige Vertreter aus der heimischen Politik willkommen heißen, darunter Landratsstellvertreterin Elisabeth Hagenauer, Fraktionssprecher der Kreistagsfraktion Dr. Bartl Wimmer und die ehemalige Landtagsabgeordnete Gisela Sengl. Von Seiten der Verbände, Institutionen und aus der Wirtschaft begrüßte er namentlich den VDK-Kreisvorsitzenden Josef Jerger, die Kreisgeschäftsführerin der Caritas Franziska Fritz, den Dienststellenleiter der Bundespolizei Freilassing Stefan Kurth sowie den Vorstandsvorsitzenden der Kliniken Südostbayern Dr. Claus-Uwe Gretscher. Letzterer hielt dabei keine offizielle Rede zur gegenwärtigen Situation der Gesundheitsversorgung, führte aber einige persönliche Gespräche mit führenden Kreis-Grünen.

 

In seinem Rückblick auf 2023 ging Ehrenlechner auf ein Jahr ein, das von Kriegen und vielen Krisen bestimmt war. Es gebe immense Herausforderungen für die Politik, aber auch für uns als Gesellschaft. Wie groß die Unzufriedenheit vieler Menschen sei, zeige sich gerade bei den Protesten der Landwirte und weiterer Berufsgruppen. In der Bevölkerung herrsche eine allgemeine Verunsicherung, der man im neuen Jahr konstruktiv begegnen müsse. Im Hinblick auf die Europawahl müssten sich die Grünen auf allen Ebenen überlegen, wie sie gut mitgestalten und Ideen umsetzen können.  „Wir müssen uns alle dafür einsetzen, dass die Gesellschaft zusammenhält, auch hier vor Ort“, appellierte der Kreissprecher an die Anwesenden, bevor er das Wort an den Ehrengast übergab.

 

Er wolle seine Neujahrsrede anders beginnen, sagte Ludwig Hartmann zum Einstieg, nicht mit den Herausforderungen sondern mit dem, was die Grünen erreicht und wo sie angeschoben haben. Man habe es geschafft, den Kohleausstieg in Westdeutschland auf 2030 vorzuziehen. Dazu hätten die Grünen entscheidende Impulse für das neue, verbesserte  EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) gegeben, das auf einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien setzt. 2023 habe Deutschland 55 Prozent seines Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen gedeckt. Robert Habeck habe für volle Gasspeicher gesorgt, so dass niemand frieren musste. Stolz könne man auch auf das 49-Euro-Ticket sein, mit dem der Wunsch vieler Menschen - „Ein Land eine Fahrkarte“ - endlich umgesetzt wurde. Aber, so Hartmann selbstkritisch, „wir hätten das alles besser ,verkaufen‘, unsere Stärken besser kommunizieren müssen“.

 

Auf die Situation der Bauern ging Ludwig Hartmann ebenfalls ein. Er könne deren Frust, der sich über die Jahre aufgestaut habe, nachvollziehen. Den Dialog mit ihnen zu führen sei wichtig, noch wichtiger sei es jedoch, zu diskutieren, wie die nächsten zehn bis zwanzig Jahre für die Landwirtschaft aussehen, welche Maßnahmen ergriffen werden, damit die Branche Planungssicherheit hat. Seiner Meinung nach sollte es nicht das Ziel sein, ein ganzes Land lahm zu legen. „Für eine lebhafte Demokratie ist der Konsens wichtig“, so Hartmann. „Haltung und Handeln“ müsse die Devise lauten. Er forderte die politisch Verantwortlichen aller Ebenen auf, nicht über jedes Stöckchen zu springen und sich gegen den Populismus zu stellen. „Die Menschen wollen von uns Lösungen, keine gegenseitigen Schuldzuweisungen“ betonte Hartmann am Schluss seiner Rede, für die er viel Applaus bekam.

 

Im Folgenden stellte Wolfgang Ehrenlechner noch zwei, wie er sagte, starke Frauen unserer Region vor, die künftig bayerische Politik mitgestalten wollen. Gemeint waren Ulrike Schweiger und Gisela Sengl. Beide bewerben sich beim Parteitag der Grünen in Lindau (26.-28. Januar) um Führungsposten. Die Freilassinger Ortssprecherin möchte frauenpolitische Sprecherin im Landesverband Bayern werden, die frühere Landtagsabgeordnete Sengl aus Sondermoning, Landkreis Traunstein, hat sich um den weiblichen Platz der Doppelparteispitze beworben und fordert damit die amtierende Landesvorsitzende Eva Lettenbauer heraus.

 

Diese Kandidaturen sorgten im nun folgenden geselligen Teil des Empfangs ebenso für Gesprächsstoff wie eine kritische Frage von Angelika Schuster, der Vorsitzenden des Laufener Weltladens. Sie verstehe, dass es in einer Koalition Kompromisse brauche, sprach sie die Enthaltung von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir über die weitere Zulassung von Glyphosat in der EU an. Was sie aber nicht verstehe, sei, warum die Grünen, so Schuster, immer wieder ihre Kernthemen „verraten“ würden. Gisela Sengl, ehemals agrarpolitische Sprecherin der Landtagsgrünen, meinte dazu, dass Cem Özdemir so abstimmen musste, weil er sich an die Absprache mit den Koalitionspartnern zu halten hatte. „Wir machen das, was möglich ist, aber die Demokratie lebt nun mal von Kompromissen“.

 

Bei Speis und Trank wurde noch eine ganze Weile rege weiter diskutiert. Auch Ludwig Hartmann blieb bis zum Schluss und stand den Gästen vielfach Rede und Antwort. Auf die Frage, wie ihm das Amt des Vizepräsidenten im Bayerischen Landtag gefalle, meinte er, dass er sich nach zehn Jahren Fraktionsvorsitz über diese neue Aufgabe freue.  Er leite im Wechsel mit Präsidentin Ilse Aigner und den anderen drei Vizepräsidenten die Plenarsitzungen, führe Wahlen und Abstimmungen durch und könne, falls erforderlich, auch Rügen erteilen.

 

Auch der Vorstandsvorsitzende der Kliniken Südostbayern AG, Dr. Uwe Gretscher (rechter Tisch, ganz links), war vor Ort. Er hielt zwar keine offizielle Rede zur gegenwärtigen Situation der Gesundheitsversorgung, führte aber einige persönliche Gespräche mit führenden Kreis-Grünen.
Ehrengast MdL Ludwig Hartmann im Gespräch mit Ulrike Schweiger (links) und Gisela Sengl. Die beiden bewerben sich beim Parteitag Ende Januar in Lindau um Führungsposten.